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Warum hat Metalernen mit Selbstüberschätzung zu tun? Von Menschen, die Schachweltmeister in einem Monat schlagen wollen – Analyse von Metalernverfahren Teil 2/4

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Im ersten Teil zur Frage des Metalernens habe ich erklärt, warum das Pareto-Prinzip beim Erlernen komplexer Fähigkeiten nicht funktioniert. Wir wissen im Vorfeld nicht, was später für die zu erlernende Fähigkeit wichtig ist. Warum aber sind dann Menschen wie Josh Kaufmann mit ihrer Idee, etwas in 24 Stunden zu lernen, so erfolgreich auf Youtube?

Ist Metalernen Motivationsgeschwafel für Teenager?

Der ganze Talk von Kaufman erinnert an den unendlich überpowerten Superhelden aus dem Anime One Punch Man. Hier geht es um Saitama, der jedes Monster mit nur einem Schlag vernichten kann. Die Serie parodiert damit die Shonen-Animes, wo Superhelden von Staffel zu Staffel stärker werden, während sie die Jungen Teenager mit vielen Staffeln bis ins Erwachsenenalter begleiten bzw. verfolgen. Der sogenannte Growing-a-Beard-Anime spielt alle Allmachtsphantasien der Jugendlichen durch. Später ersetzen wir diese Allmachtsphantasien mit der Idee, dass wir alles lernen können.

Bei One Punch Man werden diese Allmachtsphantasien ironisch gewendet. Es gibt nichts zu lernen. Saitama ist einfach ein überpowerter Charakter. In der wohl besten Folge enthüllt Saitama dann jedoch das Geheimnis seiner unglaublichen Stärke. Die dazugehörige Rede erinnert stark an ein beliebiges Motivationsvideo:

Genau genommen zeigt das Video, dass wir die Ursprünge unseres Erfolges nicht wirklich kennen. Es gibt keine Patentrezepte für Erfolg und es ist meistens mit harter Arbeit, Unterstützung und Glück verbunden. Offensichtlich kann Saitamas die Gründe seiner Stärke selbst nicht identifizieren, denn das relativ einfache Training kann nicht Grund seiner Stärke sein. Eine Motivationsrede kann er jedoch halten.

Schlußfolgerung: Den Starken kann man daher auch wenig darin vertrauen, wie man etwas lernen will. Sie glauben oftmals, dass ihre Handlungen den Erfolg gebracht hätten. Tatsächlich haben sie genetische oder soziale Vorteile, die ihnen nicht bewusst sind.

Was ist die wirkliche Frage des Lernens?

Die Serie One Punch Man ist darüberhinaus eine Parodie auf unser Exzellenzstreben und drückt dies im Tropos des And Then What? aus. Saitama hat die höchstmögliche Form der Superheldenexistenz erreicht. Er ist der stärkste Held aller Zeiten. Die Leichtigkeit der Aufgabe aber hat ihn damit für die Langeweile anfällig gemacht. Um es motivationstheoretisch zu wenden und in eine Motivationsphrase zu verpacken: Das Ziel selbst ist womöglich nicht die Aufgabe, sondern die Arbeit an sich selbst. So wie es Sloterdijk mit dem Geiger Untan, der keine Arme hatte, darstellte: Existenz bedeute demnach die eigenen Grenzen gegen Widerstände zu überwinden. Die interessantere Frage ist daher, was Lernen eigentlich im existenziellen Sinne bedeutet. In meinem Artikel zur Behinderung habe ich das dargestellt.

Wie sich in der Behinderung die Seinsphilosophie entfaltet

Saitama ist also eine Parodie auf all unser verfehltes Exzellenz-Streben, das häufig mit Selbstüberschätzung einhergeht. Die Idee oder der ‚Glaubenssatz‘, dass wir alles werden können, ist dabei das neue Opium für die Massen.

 

Was können wir von Selbstüberschätzern lernen?

Selbstüberschätzung spielt bei der gegenwärtigen Selbstlernbewegung eine große Rolle. Max Deutscher ist wohl die Ikone der Selbstüberschätzung, wobei er daraus auch noch ein Geschäftsmodell basteln konnte. In einem Monat Training wollte er in der Lage sein, den Weltmeister Magnus Carlsen im Schach zu schlagen. Schon bei der Formulierung der Herausforderung stellen sich mir die Nackenhaare auf. Aber nicht nur, dass er Magnus schlagen wollte, er wollte hierfür eine Schachmaschine bauen, wonach er die guten Züge memorieren würde.

Seit Jahrzehnten versuchen also unzählige Ingenieure, Schachmaschinen zu bauen, und seit einem Jahrhundert wird seit der Kindheit professionell auf den Weltmeistertitel zugearbeitet. Max Deutscher aber will das in einem Monat schaffen? Warum nicht auch noch nebenbei Chinesisch lernen? Wenn man vor Fremdscham nicht im Boden versinken will, sollte man sich das folgende Video nicht anschauen.

Eine gute Kritik findet sich im Reddit: Please don’t buy the hype with this „Obsessive Learner“ Max Deutsch. Viel lässt sich dem nicht hinzufügen.

Derartige Selbstüberschätzung findet sich überall: Flatearther glauben mit Experimenten die gegenwärtige Physik zu wiederlegen, gealterte Ingenieure erklären den Philosophen in einem Seminar, warum sie bisher alles falsch gemacht haben und andere sind Fußballtrainer oder Bundeskanzler. Generell ist es der Glaube, die Welt besser zu verstehen als andere. Aus gleichem Grund ist Intelligenz auch gerecht unter den Menschen verteilt, weil jeder glaubt, genug davon zu haben (war das Rousseau, der das feststellte?). Mehr von derartiger Selbstüberschätzung gibt es dann in folgendem Redditpost, wo Leute angeben, wie schlau sie sind: I am very smart.

Wie könnt ihr mich unterstützen?

Ich freue mich, wenn meine Ausführungen zum Metalernen, Menschen nützen. Ich schreibe seit Jahren kritische Analysen nebenbei. Es wäre schön, wenn ihr mich unterstützen würdet, so dass ich mich vermehrt auf das Schreiben konzentrieren kann. Wie so viele suche ich nun zum Beispiel auch nach Patreons, die meine freie Arbeit unterstützen wollen. 

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Wenn euch das aber zu kompliziert ist, so findet ihr unter folgendem Link meine Daten und könnt mir Geld überweisen. Einfacher ist es, wenn ihr einfach über PayPal unterstützt*:

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*Natürlich handelt es sich um keine Spende, eine Spendenquittung kann daher nicht ausgestellt werden.

Kann man ein absolutes Gehör lernen?

Max Deutsch hat mit seinem Projekt bestimmte Fähigkeiten in einem Monat zu erlernen für Aufsehen gesorgt. In einem anderem Experiment wollte er in einem Monat ein Absolutes Gehör (perfect pitch) entwickeln. Er hat geringe Erfolge vorzuweisen, bringt dann aber folgendes Video eines Gehörgenies an, mit dem er sich danach nämlich vergleicht.

Max Deutsch leidet an gnadenloser Selbstüberschätzung. Zwar erkennt er an, dass es ein sehr sehr weiter Weg bis zu diesem Vermögen ist, dennoch merkt er an, dass beide das gleiche Gehirn hätten und er den Jungen als Motivation nehme, sein Potenzial zu entfalten.

Clearly, I have a long way to go to be at Dylan’s level, but I’m certainly motivated by his abilities. After all, like Dylan (and everyone else), I also have a human brain (which can’t be that different to Dylan’s).

In other words, when I see someone like Dylan who is masterful at his/her craft, it isn’t a reminder of my deficiencies, but a reminder of my potential.

Hier sehen wir bereits den Umschlag in die Motivationsbranche, die mit ähnlichen Versprechen arbeitet. Liegt unsere mangelnde Leistung an mangelnder Motivation und wir hatten nur nicht Gelegenheit unser Gehirn auf gleiches Niveau zu trainieren? Ganz unberechtigt ist die Frage nicht. Leider ist aber auch die Motivationsbranche zum großen Teil Unfug. Von den vielen Merkmalen des Erfolgs lässt sich nämlich keine vollständige Regel ableiten und so müssen auch Mega-Events mit Motivationstrainern in die Irre führen. Im dritten Teil werde ich diskutieren, was die gesamte Lerntheorie am Ende mit Motivationstrainern zu tun hat, um dann am Ende wirkliche Bedingungen des Erfolges zu diskutieren.

Zum Abschluss noch die Fragen, denn wie lernen wir am besten? Indem wir uns selbst testen oder Fragen stellen. Hier sind die abschließenden Fragen zum Text.

Fragen zum Text

    1. Warum überschätzen wir uns selbst im Hinblick auf unsere Fähigkeiten?
    2. Warum können wir Schach nicht in 24 Stunden lernen?
    3. Warum können wir den Schachweltmeister Carlsen nicht schlagen?
    4. Warum kann man absolutes Gehör nicht lernen?
    5. Kann das Erlernen von komplexen Fähigkeiten getestet werden?

Weiterführende Fragen

  1. Ist Selbstüberschätzung ein Problem unserer Zeit?
  2. Sind Selbstüberschätzer erfolgreicher?
  3. Was ist ein guter Motivationscoach?

Fragen, auf die ich wirklich keine Antwort habe

      1. Wie kann ich lernen?
      2. Was ist Lernen?
      3. Wie wichtig ist lernen in der Zukunft?
      4. Was ist ein gutes Lerninvestment?
      5. Wie teile ich am besten meine Zeit ein, wenn Motivation nicht das Problem ist?
      6. Funktioniert Metalernen vielleicht doch?

Und die wichtigste aller Fragen: Wie könnt ihr mich unterstützen?

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Kommentare oder Antworten auf die Fragen sind gerne gesehen.

Dr. Norman Schultz, Jinan (China) August 2019.

Singapore

Das Flickr-Album ist nach meinem Kurzaufenthalt in Singapore beim Flug nach Jinan entstanden. Singapore ist einer der beeindruckensten Orte, die ich bisher sehen durfte. Das ökonomisch-politische Modell ist zwar fragwürdig, aber erfolgreich.

*Es handelt sich natürlich um keine gemeinnützige Spende. Daher kann auch keine Spendenquittung ausgestellt werden.

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